Ein Mailwechsel mit der Stiftung Tier im Recht aus der Schweiz

Ein Mailwechsel mit der Stiftung Tier im Recht aus der Schweiz

(Genehmigung zur Veröffentlichung liegt vor)


Von:            	MKI <[email protected]>
An:             	[email protected]
Betreff:        	Neues Tierschutzgesetz in der Schweiz-Würde-Zoophilie
Antwort an:     	[email protected]
Datum:   	Sun, 29 Jan 2006 19:00:55 +0100
> Sehr geehrte Damen und Herren von Tier im Recht.org,
> sehr geehrter Herr Goetschel, 
> 
> ich habe mir das neue Gesetz in der Schweiz einmal provisorisch 
> angesehen, es gefällt mir recht gut, scheint wesentlich weiter zu 
> gehen als das in Deutschland, was ich begrüße. Vieles kommt natürlich 
> auch auf die Umsetzung an. Inwieweit diese von Interessengruppen 
> beeinflußt oder lahmgelegt werden kann, wird sich zeigen. Vielleicht 
> hat man es da in der kleinen Schweiz leichter als im eher 
> unübersichtlichen Deutschland. 
> 
> Aus eigener Betroffenheit hat mich natürlich der Teil interessiert, 
> wo auf die Würde des Tieres abgehoben wird. Sie meinen ja auf Ihrer 
> Webseite, sexuelle Beziehungen zwischen Menschen und Tieren würden 
> durch dieses Gesetz verboten. 
> 
> Die einschlägigen Paragraphen scheinen mir zu sein: 
> 
> §3 a. Würde: Eigenwert des Tieres, der im Umgang mit ihm geachtet 
> werden muss. Die Würde des Tieres wird missachtet, wenn eine 
> Belastung des Tieres nicht durch überwiegende Interessen 
> gerechtfertigt werden kann. Eine Belastung liegt vor, wenn dem Tier 
> insbesondere Schmerzen, Leiden oder Schäden zugefügt werden, es in 
> Angst versetzt oder erniedrigt wird, wenn tief greifend in sein 
> Erscheinungsbild oder seine Fähigkeiten eingegriffen oder es 
> übermässig instrumentalisiert wird;
> 
> Art. 26 Tierquälerei
> 1 Mit Gefängnis oder mit Busse wird bestraft, wer vorsätzlich:
> a. ein Tier misshandelt, vernachlässigt, es unnötig überanstrengt 
> oder dessen Würde in anderer Weise missachtet;
> 
> Bis auf den Begriff "erniedrigt" gehe ich mit Ihnen konform, wer 
> einem Tier Schmerzen, Leiden oder Schäden verursacht oder es in Angst 
> versetzt, egal in welchem Kontext, gehört bestraft. Bleibt zu hoffen, 
> daß das auch umgesetzt wird. 
> 
> Auch wer ein Tier erniedrigt, obwohl das ein Gummibegriff zu sein 
> scheint, beschreibt er doch die Geisteshaltung des Täters bei der 
> Tat, und wer will das nachweisen, sollte bestraft werden. 
> 
> Genau das trifft aber doch auf Zoophile gerade nicht zu. Wer ein 
> Gegenüber als geliebten Lebenspartner ansieht, der wird dieses Wesen 
> doch nicht erniedrigen wollen. Im Gegenteil. 
> 
> Eine anspruchsvolle Aufgabe für einen Richter das nachzuweisen, 
> sollte es wirklich einmal zu einem entsprechenden Prozeß kommen. 
> 
> Ein generelles Verbot sexueller Handlungen zwischen Menschen und 
> Tieren, wie Sie meinen, gibt das Gesetz meiner Ansicht nach jedoch 
> nicht her.
> 
> Ich habe mir im Vorfeld einige Gedanken gemacht, um dem mir nicht 
> klar faßbaren Begriff "Würde" etwas näher zu kommen. 
> Diese können Sie bei Interesse nachlesen unter
> 
> http://www.fifine.org/2.Ebene/tierzoowuerde.html
> 
> Mit freundlichen Grüßen
> Michael Kiok
**********************************************
Von:            	<[email protected]>
An:             	<[email protected]>
Kopie an:       	"'Antoine F. Goetschel'" <[email protected]>,
	<[email protected]>
Betreff:        	AW: Neues Tierschutzgesetz in der Schweiz-Würde-Zoophilie
Datum:   	Fri, 3 Feb 2006 14:40:40 +0100
> Sehr geehrter Herr Kiok
> 
> Besten Dank für Ihr Schreiben und Ihre Ausführungen unter
> http://www.fifine.org/2.Ebene/tierzoowuerde.html, die wir mit Interesse
> gelesen haben. Die Stiftung für das Tier im Recht befasst sich ebenfalls
> bereits seit einiger Zeit mit dem Thema Zoophilie. In einem umfangreichen
> Gutachten haben wir unsere Ansicht untermauert, wonach sexuelle Handlungen
> mit Tieren - entgegen Ihrer Auffassung - per se gegen deren Würde
> verstossen, die in der Schweiz bereits seit über zehn Jahren
> verfassungsmässig geschützt ist. Unserer Meinung nach tangieren zoophile
> Handlungen grundsätzlich die sexuellen Integrität (insbesondere die freie
> Willensbildung und den Schutz vor sexueller Ausbeutung) der betroffenen
> Tiere und stellen daher immer einen Verstoss gegen ihre Würde dar (vgl. auch
> die Ausführungen zur Zoophilie auf unserer Homepage unter
> www.tierschutz.org/tierundrecht/andere/strafrecht/einzelaspekte/zoophilie.ph
> p). Der Umstand, dass Tiere sich offenbar nicht selten "freiwillig" an
> sexuellen Handlungen mit Menschen beteiligen, tut dem im Übrigen keinen
> Abbruch, da die Tiere in der Regel auf ein derartiges Handeln konditioniert
> wurden, was wiederum nicht mit ihrer Würde vereinbar ist. 
> 
> Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage werden zoophile Handlungen in der
> Schweiz mit Inkrafttreten des revidierten Tierschutzgesetzes (Art. 26 Abs. 1
> lit. a) aufgrund dieses Würdeverstosses richtigerweise unter Strafe
> gestellt, und zwar unabhängig davon, ob ein Tier dabei physisch leidet oder
> nicht. 
> 
> Wir hoffen, Ihnen mit diesen Ausführungen weitergeholfen zu haben und
> verbleiben mit freundlichen Grüssen
> 
> STIFTUNG FÜR DAS TIER IM RECHT
> Dr. iur. Gieri Bolliger
> Wissenschaftlicher Mitarbeiter und Rechtsanwalt
> Wildbachstrasse 46
> CH - 8034 Zürich
> Schweiz
> Tel. +41 (0) 43 443 06 43
> Fax +41 (0) 43 443 06 46
> [email protected]
> www.tierimrecht.org / www.tierschutz.org
******************************************************
Von:            	MKI <[email protected]>
An:             	<[email protected]>
Betreff:        	Re: AW: Neues Tierschutzgesetz in der Schweiz-Würde-Zoophilie
Antwort an:     	[email protected]
Datum:   	Tue, 07 Feb 2006 21:31:51 +0100
> Sehr geehrter Herr Bolliger, 
> 
> > gelesen haben. Die Stiftung für das Tier im Recht befasst sich ebenfalls
> > bereits seit einiger Zeit mit dem Thema Zoophilie. 
> Das ist mir bekannt. 
> 
> 
> > In einem umfangreichen
> > Gutachten haben wir unsere Ansicht untermauert, wonach sexuelle Handlungen
> > mit Tieren - entgegen Ihrer Auffassung - per se gegen deren Würde
> > verstossen, die in der Schweiz bereits seit über zehn Jahren
> > verfassungsmässig geschützt ist. Unserer Meinung nach tangieren zoophile
> > Handlungen grundsätzlich die sexuellen Integrität (insbesondere die freie
> > Willensbildung und den Schutz vor sexueller Ausbeutung) der betroffenen
> > Tiere und stellen daher immer einen Verstoss gegen ihre Würde dar (vgl. auch
> > die Ausführungen zur Zoophilie auf unserer Homepage unter
> > www.tierschutz.org/tierundrecht/andere/strafrecht/einzelaspekte/zoophilie.ph
> > p). 
> Den Text habe ich soeben gelesen. Der einzige Teil, der sich auf 
> sexuelle Handlungen zwischen Menschen und Tieren als solche bezieht 
> ist der Anfang des letzten Absatzes. 
> 
> "Zoophile Handlungen tangieren grundsätzlich die sexuellen Integrität 
> (insbesondere die freie Willensbildung und den Schutz vor sexueller 
> Ausbeutung) der betroffenen Tiere und stellen daher einen Verstoss 
> gegen ihre Würde dar. "
> 
> Bedenklich finde ich in diesem Text das Wort "grundsätzlich". Es 
> bedeutet per definitionem, und diese Definition haben interessierte 
> Kreise (also Sie) gemacht. Sie ist bislang meines Wissens noch nicht 
> breit diskutiert und auf ihre Vernunftmäßigkeit geprüft worden. Bis 
> zum Beweis des Gegenteils halte ich diese Definition für ein 
> ausformuliertes Vorurteil. 
> 
> Wobei ich Ihnen zugestehe, daß die Gefahr des Einschränkens der 
> freien Willensbildung und der sexuellen Ausbeutung besteht. Das gilt 
> es zu minimieren. Kriminalisierung halte ich aber zu diesem Zweck für 
> ein untaugliches Mittel.  Sie drängt das gesamte Phänomen Zoophilie 
> in den Untergrund, mit allen Chancen für eine Änderung der 
> Wertschätzung des Tieres sowie mit allen möglicherweise vorhandenen 
> Schattenseiten. 
> 
> Was sich unter denen, die sich mit Recht zoophil nennen, mittlerweile 
> als ethische Normen herausgebildet hat, eben das Tier nicht zu 
> zwingen und sich eher den Wünschen des Tieres unterzuordnen (hier 
> kann der Tierhalter das endlich mal), wird genauso von der Bildfläche 
> verdrängt wie die Verhaltensweisen von Menschen, die Tiere 
> bestenfalls als Triebabbaumittel ge(=miß-)brauchen. Diese und auch 
> jene zu verfolgen, die Tieren Leid antun, wird gerade durch die 
> Kriminalisierung des Sexualaktes zwischen Menschen und Tieren an sich 
> fast unmöglich. Es wird sich ein Untergrund aufbauen, an den keiner 
> mehr drankommt. Solche Untergrund-Szenen, in denen auch beliebige 
> Scheußlichkeiten vorkommen können, gibt es leider in anderen 
> Kontexten genug. (Hundekämpfe, Satanisten, politische und religiöse 
> Extremisten etc.)
> 
> > Der Umstand, dass Tiere sich offenbar nicht selten "freiwillig" an
> > sexuellen Handlungen mit Menschen beteiligen, tut dem im Übrigen keinen
> > Abbruch, da die Tiere in der Regel auf ein derartiges Handeln konditioniert
> > wurden, was wiederum nicht mit ihrer Würde vereinbar ist. 
> Hier tun sich zwei Fragen auf: 
> - woher wollen Sie wissen, daß Tiere in der Regel konditioniert 
> werden?
> - ist Gewährenlassen Konditionierung?
> 
> > Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage werden zoophile Handlungen in der
> > Schweiz mit Inkrafttreten des revidierten Tierschutzgesetzes (Art. 26 Abs. 1
> > lit. a) aufgrund dieses Würdeverstosses richtigerweise unter Strafe
> > gestellt, und zwar unabhängig davon, ob ein Tier dabei physisch leidet oder
> > nicht. 
> Ob sie nach dem Text des Gesetzes wirklich unter Strafe gestellt 
> sind, habe ich in meiner letzen Mail schon bezweifelt, und richtig 
> (bzw zielführend) finde ich Kriminalisierung auch nicht, wie ich 
> hoffentlich verständlich in dieser Mail darglegt habe. 
> 
> 
> 
> > Wir hoffen, Ihnen mit diesen Ausführungen weitergeholfen zu haben und
> Nein, weitergeholfen haben Sie mir mit diesen Ausführungen nicht, im 
> Gegenteil, ich als Zoophiler habe im Zuge meiner Selbstfindung diese 
> und weitere Überlegungen bereits vor mehr als 10 Jahren angestellt, 
> bin allerdings zu anderen Ergebnissen gekommen: 
> 
> Um Tiere zu vor Eingriffen in die sexuelle Integrität und vor 
> sexueller Ausbeutung zu schützen muß 
> 
> - Zoophilie nicht kriminalisiert,
> - Zoophilie in der Öffentlichkeit diskutiert und
> - in der Gruppe der Zoophilen (und später in der Gesellschaft) eine 
> neue Ethik für den Umgang mit dem Tier erarbeitet und installiert 
> werden. 
> 
> Innerhalb der Gruppe der Zoophilen ist dies mittlerweile weitgehend 
> gelungen. Innerhalb der Gesellschaft nicht. Niemand gesteht Heim- und 
> Nutztieren sexuelle Selbstbestimmung zu. Künstliche Besamung, 
> Kastration, Tierzucht, Massentierhaltung, Tiertransporte, 
> Fleischkonsum allgemein - die Liste ließe sich fast beliebig 
> verlängern. Mit dem Hebel des emotionalen Themas Zoophilie ließe sich 
> da Einiges erreichen. Kriminalisierung der Zoophilie ist nur ein 
> Mittel, sich dem Problem Wert und Würde des Tieres nicht  
> wirklich zu stellen. 
> 
> 
Mit freundlichen Grüßen
Michael Kiok
****************************************************
Daraufhin kam keine Antwort mehr.